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Ritter Friedberts Reise durchs
westliche Deutschland
Thema:  Eine kurze Geschichte über einen Ritter

Ritter Friedbert saß hoch zu Ross und betrachtete die Weiten des Münsterlandes, die sich vor ihm ausbreiteten. Langsam ritt er vorwärts durch die Feldwege, vorbei an Kuhherden, Getreidefeldern und Obstbäumen. Doch plötzlich tauchte am Horizont eine Mühle auf. Die Flügel ihres riesigen, knorrigen Windrads ragten bedrohlich in den Himmel hinauf.

“Ach, gegen Windmühlen kämpfen ist so aus der Mode! Ich muss mir einen anderen Gegner suchen.“, sagte Friedbert laut zu sich selbst und ritt weiter. Irgendwann, nach vielen Stunden, kam er in eine große Stadt. Dort stand ein in gelb und schwarz gekleideter Mann am Straßenrand und begrüßte Friedbert frenetisch: „Hey Alter, komm ma rübber! N’echter Ritter, datt ich datt nomma erleben darf.“

„Zum Gruße, der Herr!“, antwortete Friedbert: „Aber sagen sie mir, mein Herr: Warum sind Sie so seltsam gekleidet?“

„Watt, seltsam? Heute spielen ma auf Schalke, woll?  Und nächste Woche steigt die Schlacht jejen de Bayern! Hey, willste nich mitkommen? Wir brauchen noch‘n neues Maskottchen.“

„Aber warum soll ich gegen die Bayern kämpfen? Das sind doch nicht meine Feinde! Und wer ist überhaupt dieser Schalke?“

„Na, Bundesliga, Mann! Oder stammst du echt aus‘m Mittelalter?“

Friedbert dachte nach, kam jedoch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Also verabschiedete er sich kurzerhand: „Ich verstehe Sie nicht, mein Herr. Aber haben Sie noch einen schönen Tag!“

Friedbert ritt weiter: durch Städte, Wälder und Felder. Er folgte einem großen Fluss, bis zu einer Stadt, in der eine Kirche mit verdrehtem Turm in der Nähe des Ufers stand.

Da sprach ihn eine Gruppe Jugendlicher an: „Hey du Tünnes, wo willst du denn hin?“

„Tünnes? Den kenne ich nicht. Aber ich bin auf der Suche nach einem würdigen Gegner!“

„Dann reit ma fuffzich Kilometer weiter. Da kannste de Kölner verkloppen!“, rief ein junger Mann und brach in schallendes Gelächter aus.

„Die sin doch keijne würdijen Jegner!“, schrie eine junge Dame und lachte ebenso laut auf.

„Aber Köln ist eine alt-ehrwürdige Stadt und ihre Kathedrale Sinnbild für die Ehrfurcht vor Gott dem Allmächtigen. Warum sollte ich dort gegen jemanden kämpfen wollen?“, fragte Friedbert.

„Dat kriste schon raus. Reit eijnfach hin, dann siehste schon!“, sagte die Dame, noch immer über sich selbst lachend.

„Na schön. Ich werde Euren Rat befolgen und hoffe auf das Beste!“ Friedbert ritt weiter.

Der Fluss schlängelte sich durchs Land. Friedbert folgte seinen Ufern in Richtung Süden und schon bald tauchten die mächtigen Türme des Kölner Doms am Horizont auf. Als Friedbert dann endlich auf das beeindruckende Westportal zuritt, kam ihm ein Mann entgegen und schrie: „Guckt ma alle: Dat is bestimmen eijn Düsseldorfer!“

Friedbert schüttelte nur den Kopf und ritt so schnell er konnte aus der Stadt.

Weiter ging die Reise, über Hügel, durch Wälder, ja sogar über erloschene Vulkane hinweg. Viele Leute hatte er inzwischen getroffen: Eine Frau, die ihm sagte, er solle gegen ihre Nachbarn kämpfen, da diese zu laut Musik hörten. Ein Mann, der ein großes Schild an einem Stock in der Hand hielt und mit einer Trillerpfeife jede Menge Krach erzeugte, riet ihm, gegen die Mächtigen und das System zu kämpfen. Aber mit alldem konnte Friedbert nichts anfangen. Also suchte er weiter.

Doch bald schon trug sein Ross schwer mit Ritter und Rüstung und auch Friedbert selbst war müde geworden. Da kam er, als er über einen Hügel ritt, an eine Quelle mit herrlich frischem Wasser. Er stieg ab, ließ sein Pferd trinken und erfrischte sich selbst am kühlen Nass.

Da bemerkte er einen alten Mann, der auf einem Stein neben dem Bach saß und ein Lächeln auf den Lippen hatte.

Friedbert ging auf ihn zu: „Zum Gruße, mein Herr. Vielleicht können Sie mir helfen: Ich bin auf der Suche nach einem würdigen Gegner für den Kampf. Auf meiner Reise bin ich bisher nur seltsamen Leuten begegnet. Man riet mir, gegen Bayern zu kämpfen und gegen einen gewissen Schalke. Man nannte mich Tünnes und Düsseldorfer und eine Frau wollte tatsächlich, dass ich gegen ihren Nachbarn antreten sollte. Ach ja, irgendein System sollte ich bekämpfen, ich bin verwirrt.“
Die Augen des Mannes sahen Friedbert freundlich, aber auch mitleidig an: „Sehen Sie, Herr Ritter, ich bin jetzt 102 Jahre alt und lebe hier allein in einer Hütte, gleich da hinten, nur ein paar Meter von hier. Ich habe in meinem Leben nur gekämpft: In Kriegen, gegen die politischen Gegner, gegen Widersacher, gegen meinen Chef, ja sogar gegen meine Frau, einfach gegen alles und gegen jeden. Ich habe gewonnen und ich habe viel verloren. Und am Ende habe ich gemerkt, dass das alles nur Blödsinn war. Sehen Sie sich nur um, junger Mann. Sehen Sie diese fantastische Natur, dieses Wunder des Lebens. Kämpfen? Das ist was für den Rehbock, der da vorn im Wald wohnt und sein Revier verteidigen will. Wir, die Menschheit, die sogenannte ‚intelligente‘ Spezies sollte da doch wohl drüberstehen. Mit gemeinsamer Arbeit und Aufeinanderzugehen wurden noch immer mehr Probleme gelöst als mit Kämpfen. Dann alles, was zählt, sind die Freude, die Freiheit und das Leben: meines, Ihres und das jedes anderen, oder nicht?“

Friedbert sah sich um. Vor ihm breiteten sich Täler voller dunkler Wälder aus, Wiesen, Felder, malerische, sanfte Hügel, bis zum Horizont. Die Abendsonne malte lange Schatten darüber und brach sich an den wenigen Wolken, die über den Himmel zogen.

„Danke!“, sagte Friedbert leise: „Vielen Dank! Ich werde über Ihre Worte nachdenken.“ Dann nahm er sein Pferd bei den Zügeln und lief in seiner Rüstung neben ihm her, den Hügel hinab ins Tal.

Doch bald schon war ihm das viele Metall an seinem Körper zu schwer geworden und auch die Waffen, die er bei sich trug. Er hielt an, zog seine Rüstung aus und warf sie mit samt seines Schwerts auf den Boden.

Da kam ein junger Mann des Weges und sprach Friedbert an: „Hey, ist die Rüstung echt? Ist ja krass! Aber hey: Sehen sie den Fleck da am Helm? Das ist Rost! Den müssen sie bekämpfen!“

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