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Der Hunde-Code
Thema:  Eine kurze Geschichte über einen Geheimcode

Es war einer dieser sonnigen Tage zu Beginn der Sommerferien. Die Grundschule war vorbei und so verbrachten Holger und Frank diese wunderbare Zeit ohne Hausaufgaben und ohne Verpflichtungen am liebsten draußen, gleich hinter der Reihenhaussiedlung, am schmalen Bachlauf, eingerahmt von Bäumen, hinter denen sich endlose Kornfelder erstreckten. 

Die Schatten waren bereits länger geworden und nach einem anstrengen Tag voller Abenteuer und jeder Menge Quatschanstellen, hatten Holger und Frank ihre Fahrräder an die alte Eiche gestellt, dessen große Astgabelung zu ihrem Lieblingsplatz geworden war. Und so saßen die beiden auf ihrem Hochsitz und ließen den Tag zum Abend werden, bevor sie bei Anbruch der Dunkelheit nach Hause gehen mussten. Sie sahen den Leuten zu, die vor den Reihenhäusern vorbeiliefen, lästerten über Herrn Müller, der wieder einmal seine Hecke zentimetergenau in Rechteckform schnitt und erfanden Kriminalgeschichten über die Leute in der Nachbarschaft.

Und dann, wie jeden Tag um diese Uhrzeit, kam Frau Winziggang des Weges mit ihrem kleinen, weißen Zwergspitz an der Leine, der wieder sein rotes Halstuch mit dem weißen Hundemuster trug.

Holger stieß Frank mit dem Ellenbogen an: „Guck mal: Da ist wieder die Alte mit dem Hund.“

„Meine Mutter hat mal gesagt, dass die irgendwie verrückt sei.“, sagte Frank vorsichtig.

„Mein Papa hat aber erzählt, sie sei Lehrerin. Stell dir mal vor, wir bekommen die in Mathe nächstes Schuljahr.“

„Ich glaube, sie ist Polizistin und das ist bestimmt ihr Polizeihund.“ Frank lachte laut auf.

Da musste auch Holger loslachen, doch da sah er, wie der Frau etwas aus der Hosentasche fiel: Ein kleines Stück Papier und es segelte langsam, vom leichten Wind getragen, gen Boden und blieb am Fuß von Herrn Müllers Gartenhecke liegen.

„Guck‘ mal da!“, zischte Holger: „Die hat was verloren, den Zettel da.“

„Na dann geben wir ihn ihr zurück, los!“ Frank kletterte vom Baum herunter, lief hinüber auf die andere Straßenseite und hob den Zettel auf. Holger folgte ihm. Die beiden sahen sich um, aber von der Frau fehlte jede Spur.

„Die ist bestimmt da vorn abgebogen!“, rief Holger und lief los zu einem kleinen Stichweg, der zwischen den Häusern hinüber zur Parallelstraße führte. Aber auch dort war niemand zu sehen.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Frank, der bereits herangelaufen war.

 „Ich weiß nicht.“ Holger sah auf den Zettel: „Guck mal: Da stehen sechs Zahlen drauf. Das ist bestimmt ein Geheimcode und die Frau ist Agentin!“

„Meinst du echt?“

„Na klar. Das ist bestimmt eine Kombination von so einem Tresor. Komm, gehen wir zur Bank, die neben der Kirche. Da fragen wir.“ Holger wartete Franks Antwort gar nicht erst ab. Er rannte zurück zum Baum, schnappte sein Fahrrad und sauste los. Frank blieb indes nichts anderes über, als ihm zu folgen.

Als die beiden an der Dorfkirche ankamen, war die Bank, die sich direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite befand, geschlossen.

„Dann gehen wir eben zur Polizei! Sie spioniert bestimmt die Nachbarschaft aus.“, sagte Frank trotzig.

„Und wo ist die hier?“

„Ich glaube im Nachbardorf.“

„Aber da darf ich nicht hinfahren.“, sagte Holger traurig.

„Dann behalten wir den Zettel halt und ich schleiche mich an den Computer von meinem Vater und gucke mal, ob ich was im Internet finde.“

„Super Idee!“

Am nächsten Vormittag holte Holger seinen Kumpel Frank zu Hause ab. Als er an der Tür klingelte, hörte er bereits Franks Stimme: „Mama, das ist bestimmt Holger. Ich bin draußen!“. Und als Frank dann die Tür öffnete, fragte Holger gleich mit leuchtenden Augen drauflos: „Und, was hast du rausgefunden?“

„Es ist keine Telefonnummer. Ich habe mit dem Handy von meiner Mutter da angerufen, aber die Nummer gibt’s nicht.“ Frank öffnete das Fahrradschloss an seinem geliebten Mountainbike: „Es könnte aber die Seriennummer von einer Kaffeemaschine sein. Da kann sie ein Mikrofon drin versteckt haben.“

„Wow!“, Holgers Augen wurden immer größer: „Dann fahren wir doch schnell zum diesem Elektroladen hinter der Brücke.“

„Das hatte ich auch schon gedacht.“, sagte Frank und stieg auf sein Fahrrad: „Los!“

Die beiden radelten die Straße entlang. Frank fuhr voran und trat so schnell er konnte in die Pedale. Holger folgte mit ein paar Metern Abstand. Doch plötzlich bremste Frank so stark, dass er eine ganze Strecke mit stehenden Reifen rutschte, bevor er zum Stillstand kam: Vor ihm stand Frau Winziggang und hielt ihren Spitz, der vor Aufregung kleffte, schützend im Arm.

„Junge, du darfst hier nicht so schnell fahren, du verletzt noch jemanden oder vielleicht ein Tier.“

Frank stand nur mit offenem Mund da und brachte kein Wort heraus.

Holger, der bereits herangefahren war, schüttelte ihn an der Schulter: „Zeig ihr das Papier!“

Frank zog den Zettel mit dem vermeintlichen Geheimcode aus der Hosentasche und zeigte ihn Frau Winziggang: „Wir wissen, dass Sie eine Agentin sind. Sagen Sie uns, was das für ein Code…“

Frau Winziggang schnitt ihm das Wort ab: „Oh Danke Junge, dass du den Zettel gefunden hast. Ich habe ihn schon überall gesucht!“ Sie nahm Frank das Papier aus der Hand: „Darauf notiere ich immer um welche Zeit mein kleiner Fridolin hier sein Häufchen macht. Nicht wahr Fridolin?“

„Wau!“

„Und ich nehme die Häufchen immer in einer Plastiktüte mit nach Hause und wiege sie, damit ich weiß, dass mein kleiner Fridi gesund ist. Nicht wahr Fridolin?“

„Wau!“

„Seht Ihr: Hier steht es: 21 h, 101 g. ‚G‘ heißt Gramm. Das hattet ihr doch schon in der Schule, oder?“

Holger und Frank standen nur mit großen Augen da und sagten kein Wort.

„Aber was sollte denn dein Gerede von einem Geheimcode, he?“

Holger und Frank schwiegen weiter.

Frau Winziggang schüttelte den Kopf: „Komm Fridi, wir gehen weiter. Die Jungs hier sind verrückt. Nicht wahr Fridolin?“

„Wau!“

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