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Dokumente der Zeit
Thema:  Eine kurze Geschichte über einen
Jugendlichen, dessen Handy kaputt oder
verloren geht.

„Danke, stimmt so!“ Stefan war an diesem Tag besonders gut gelaunt. Mit seiner Freundin Mathilda war er in das Fastfood-Restaurant gegangen, das sie so sehr mochte, um den Jahrestag ihres Zusammenseins zu feiern.

„Oh danke!“, sagte der Kassierer, aber Stefan und Mathilda waren schon auf dem Weg zu einem Tisch, direkt an der großen Fensterfront. Die beiden hatten Glück, denn das Restaurant war an diesem späten Nachmittag gut gefüllt.

Stefan hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und so ließ ihn der Hunger bereits jetzt, noch auf dem Weg zu seinem Platz, von den Pommes Frites naschen.

„Kannst du nicht warten?“, fragte Mathilda albern und nahm sich selbst die längste Pommes Frites, die zu ergattern war.

„Ach, und du?“, fragte Stefan zurück und rempelte Mathilda spielerisch an: „Du kriegst nichts mehr, Naschkatze!“ Aber Mathilda lief einfach hinter ihm vorbei und stahl die nächste Pommes Frites von der anderen Seite.

Stefan stellte das Tablett auf den Tisch, zog sein Handy aus der Hosentasche und wollte sich setzen, doch sein geliebtes Smartphone glitt ihm aus den fettigen Fingern und fiel auf den Boden. Aber dank der stabilen Schutzhülle auf dessen Rückseite, blieb es unversehrt. Stefan wusste nicht, was er nun zuerst erledigen sollte: den Stuhl zurückziehen oder das Handy aufheben. Sein unterzuckertes Gehirn entschied sich, beides gleichzeitig zu versuchen, mit dem Ergebnis, dass er den Stuhl anhob, dann aber nach seinem Handy griff und den Stuhl dafür wieder losließ, dessen Fuß genau auf dem Display landete.

Ein markerschütterndes Knirschen verriet Mathilda, dass etwas passiert sein musste: „Was ist los? Ist was kaputtgegangen?“

Stefan hob sein Handy auf und betrachtete das Display, das aussah, wie nach einem Steinschlag. Der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er begann am gesamten Körper zu zittern, immer heftiger und heftiger, bis sich seine Anspannung schließlich in einem lauten „AAAAAAH!“ entlud. Die Köpfe der anderen Restaurantbesucher drehten sich fast synchron in seine Richtung.

„Was ist denn?“, fragte Mathilda erneut.

„AAAAAAH!“

„Hast du dir wehgetan?“

„AAAAAAH!“

„Zeig mal her!“, Mathilda nahm ihm das Telefon aus der Hand: „Na so ein Mist. Da brauchst du wohl ein neues Display. Aber das kannst du morgen leicht austauschen lassen.“

„MORGEN?“, schrie Stefan entgeistert und riss Mathilda das Handy weg. Dann rieb er verzweifelt auf dem zerbrochenen Display herum, mit der Hoffnung auf ein Wunder. Aber dieses trat einfach nicht ein. Im Gegenteil: Statt einer Reaktion des Smartphones, schnitt Stefan sich an einer herausstehenden Scherbe den Finger auf. „So eine Scheiße!“, rief er durchs Restaurant, während sein Blut bereits auf den Boden tropfte.

Mathilda sah sich Stefans Finger an, aber in diesem Moment war bereits eine Angestellte des Restaurants mit Desinfektionsmittel, Tüchern und einem Pflaster zur Stelle, um die Wunde zu versorgen.

„So eine Scheiße, was mache ich den jetzt?“

„Jetzt essen wir erstmal. Es wird doch alles kalt. Das Handy bringst du gleich morgen früh zur Reparatur.“, antwortete Mathilda ruhig und setzte sich an den Tisch.

Stefan sah jedoch verzweifelt auf das in Scherben liegende Display und sogar eine Träne wollte seine Wange hinunterlaufen.

„Hören Sie!“, sagte ein Mann am Nachbartisch: „Wenn es so dringend ist, können Sie zu dem Laden vorne, gegenüber des Hauptbahnhofs gehen. Die reparieren Ihnen das sogar mit Originalteilen.“

Stefans Gesicht hellte sich auf: „Etwa heute noch?“

Der Mann zuckte mit den Schultern: „Vielleicht!“

Stefan rannte los.

„Jetzt iss doch erstmal in Ruhe!“, rief Mathilda hinter ihm her: „Der Bahnhof ist verdammt weit weg. Du wirst ewig brauchen, bis du wieder hier bist!“

„Nicht, wenn ich renne!“, schrie Stefan zurück, während er bereits zur Tür hinaussprang.

Ohne zu gucken über die Straße, dem Auto ausweichen, dem Radfahrer, der gerade noch bremsen konnte, den Mittelfinger zeigen, weiter durch die Fußgängerzone und im Slalom durch die Passanten: Alles geschah mehr oder weniger gleichzeitig. Einer Frau, die ihre Einkaufstüten leider in der falschen Hand trug, konnte Stefan nicht mehr rechtzeitig ausweichen und touchierte einen der Plastikbeutel mit dem Knie. Die Einkaufstüte mitsamt Inhalt landete auf dem Boden, gefolgt von Stefan selbst, der durch den Aufprall ins Straucheln gekommen war und dessen Gleichgewichtssinn sich schließlich der Gravitation beugen musste.

Aber Stefan stand schnell wieder auf und rannte weiter. Sein Knie schmerzte wie nach einem Hammerschlag, aber es durfte nicht. Geschwindigkeit war angesagt.

Ein paar Minuten später, hatte es Stefan ohne weitere Unfälle bis in den Laden geschafft, legte sein zerbrochenes Handy auf die Theke und keuchte: „Können Sie das reparieren? Jetzt sofort?“

„Wir schließen gleich! Kommen Sie doch morgen früh wieder.“, sagte die Frau hinter dem Tresen mit freundlicher Stimme.

„NEIN! Wieso in aller Welt schließen Sie so früh?“, Stefan keuchte immer noch: „Was würde das denn kosten?“

„Mit Originaldisplay 120 Euro. Aber wie gesagt …“

Stefan schnitt ihr das Wort ab: „Ich zahle Ihnen 200!“

„Aber …“

„Na gut, 300! 300 Euro, aber ich brauche das Telefon jetzt gleich!“ Stefan atmete schwer, versuchte aber, sich dennoch ein Lächeln abzuringen.

„Na schön!“, sagte die Frau mit einem Seufzer und ging mit dem Telefon nach hinten in die Werkstatt.

Die nächsten 30 Minuten quälten sich im Schritttempo vorwärts. Stefan betrachtete den Sekundenzeiger der großen Uhr an der Wand, aber dieser schien einfach stehenbleiben zu wollen, ja sogar rückwärtszulaufen. Auf und ab, auf und ab: Stefan lief die knapp vier Meter vor dem Tresen hin und her, wie ein Raubtier im Käfig.

Doch dann die Erlösung: Die Dame kam mit seinem Handy wieder zurück. Das Display war neu und glänzte im Neonlicht der Deckenlampen.

„Schalten Sie bitte frei!“, sagte die Frau und hielt Stefan das Telefon hin, der mit zittrigen Händen den Endsperrcode eingab.

Die Dame testete alle Funktionen, während Stefan bereits seine Bankkarte herausholte. Schweißgebadet zahlte er die vereinbarten 300 Euro, riss der Frau das Telefon aus der Hand und rannte wieder los.

Im Restaurant saß Mathilda noch immer am Tisch. Die Hälfte des Tabletts vor ihr war leer und als sie Stefan hereinkommen sah, drehte sie sich absichtlich weg und sah aus dem Fenster.

„Ich hab’s!“, sagte Stefan stolz.

„Na toll!“, antwortete Mathilda, ohne ihn anzusehen.

„Willst du mal gucken?“
„NEIN!“

„Dein Problem!“ Stefan nahm sein geliebtes Smartphone zur Hand, aktivierte auf dem funkelnagelneuen Display die Kamera, um nun endlich ein Foto seines Burgers aufzunehmen und direkt zu posten.

„Geschafft!“, sagte Stefan laut zu sich selbst, atmete durch, setzte sich und biss herzhaft in seinen eiskalten Burger.

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